Pressemitteilungen Fraktion
05. 09. 2012
Frage: Herr Brüderle, heute beginnt die Herbsttagung der Bundestagsfraktion. Welche Signale sollen davon ausgehen?
BRÜDERLE: Die Fraktion steht beisammen und beschäftigt sich allein mit Themen und Inhalten. Von Mainz soll das Signal ausgehen, wie wichtig die liberale Partei im Deutschen Bundestag ist, damit Deutschland auf stabilem Mittelkurs bleibt. Sigmar Gabriel hat den Wahlkampf für Rot-Grün doch schon eröffnet: er will höhere Steuern, Wohltaten auf Pump und die europäische Schuldenunion.
Frage: Nächste Woche feiert ihre Partei das "Wendepapier", das Otto Graf Lambsdorff vor 30 Jahren zur marktwirtschaftlichen Erneuerung Deutschlands verfasst hat. Wollen Sie an das Konzept ein Jahr vor der Wahl anknüpfen?
BRÜDERLE: Otto Graf Lambsdorff ging es immer um die Freiheit zur Verantwortung. Das ist auch heute unsere liberale Leitidee, zu der wir uns bekennen. Skepsis gegenüber kollektiven Regelungen und die Ablehnung von staatlicher Bevormundung in Wirtschaft und Gesellschaft sind für uns auch heute noch aktuell.
Frage: Lambsdorff forderte drastische Beschneidungen von Sozialleistungen sowie ein stärkeres Bekenntnis zum Prinzip der Eigenverantwortung. Ist so ein neoliberales Bekenntnis für die heutige FDP noch vorstellbar?
BRÜDERLE: Selbstverständlich. Ohne Reformen in Lambsdorffs Sinn stünde unsere Soziale Marktwirtschaft heute nicht so stark da. Deutschland kann sich über Rekordbeschäftigung freuen. Das ist das Ergebnis der christlich-liberalen Wachstumspolitik und, was ich ausdrücklich anerkenne, der Agenda 2010 von Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier. Die SPD will ja leider von ihren eigenen Reformen heute nichts mehr wissen und setzt wieder auf höhere Steuern, höhere Beiträge und mehr Staat.
Frage: Empfinden Sie es als Schimpfwort, wenn Sie vom politischen Gegner als Neoliberaler bezeichnet werden?
BRÜDERLE: Nein, sondern als Auszeichnung. Walter Eucken, Franz Böhm und andere Ökonomen aus der sogenannten Freiburger Schule haben nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Wirtschaftsordnung aufgebaut. Diese sogenannten Neoliberalen sind die Gründerväter unserer Sozialen Marktwirtschaft. Wir Liberalen bekennen uns zu diesem Erbe und machen das immer wieder deutlich, wie etwa jetzt bei unserem Kampf gegen die Vergemeinschaftung von Schulden durch Euro-Bonds.
Frage: Das Papier von Graf Lambsdorff hat das Ende der sozial-liberalen Koalition unter Helmut Schmidt eingeläutet. Mit einer umgekehrten Wende der FDP weg von der Union, ist aber vor der Bundestagswahl nicht zu rechnen?
BRÜDERLE: Deutschland wird erfolgreich regiert. Wir haben Rekordbeschäftigung. Die christlich-liberale Koalition hat gute Chancen, bei der Bundestagswahl bestätigt zu werden. Diese Koalition arbeitet gut zusammen.
Frage: Bei der Zuschussrente oder beim gesetzlichen Mindestlohn hat man diesen Eindruck aber nicht.
BRÜDERLE: In einer Koalition hat jeder Partner eine eigene Rolle. Unsere Aufgabe ist es, die Union von gelegentlichen sozialdemokratischen Irrwegen abzubringen - ob nun bei einem gesetzlichen Einheitsmindestlohn oder bei Frau von der Leyens beitragsfinanzierter Zuschussrente. Beides kann es mit der FDP nicht geben.
Frage: Die Justizministerin wird derzeit aus der FDP, aber vor allem von der Union kritisiert. Ist das gute Zusammenarbeit?
BRÜDERLE: Entscheidend ist doch, dass man am Ende zu guten Ergebnissen kommt. Und das ist uns in vielen Bereichen der Rechtspolitik schon gelungen, etwa bei der wichtigen Mietrechtsreform oder jetzt beim Leistungsschutzrecht für Verlage. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat meine volle Unterstützung. Eine liberale Justizministerin, die ständig Beifall von der CSU bekäme, würde etwas falsch machen.
Frage: Um den Haushalt zu sanieren, trommelt die SPD seit Monaten für höhere Steuern erhöhen. Wäre das mit der FDP zu machen?
BRÜDERLE: Die SPD verteilt ja gern das Geld, das andere Leute hart erarbeiten. Höhere Steuern und höhere Staatsausgaben wären völlig falsch. Die SPD irrlichtert auch in der Finanz- und Steuerpolitik. Es geht doch jetzt darum, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Wir werden die Neuverschuldung weiter abbauen und wollen so schnell wie möglich einen ausgeglichenen Haushalt.
Frage: Aus den einst von der FDP versprochenen Steuersenkung wird also definitiv nichts mehr?
BRÜDERLE: Wir haben Familien und Betriebe zu Anfang der Koalition um 24 Milliarden Euro entlastet und wir haben den Abbau der ungerechten kalten Progression beschlossen. Daran halten wir fest. Leider wird diese Entlastung gerade der unteren und mittleren Einkommen von der SPD im Bundesrat blockiert. Wir werden Herrn Gabriel aber nicht aus der Verantwortung lassen.
Frage: Kommen wir zur Schuldenunion. Die EZB will morgen über den Ankauf weiterer Staatsanleihen entscheiden. Findet das Ihre Unterstützung?
BRÜDERLE: Nein, ganz und gar nicht. Die EZB sollte sich endlich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren: Das ist der Erhalt der Geldwertstabilität. Hier wird die FDP nicht locker lassen. Bundesbankpräsident Weidmann hat da unsere Unterstützung, auch, wenn er fast allein in der EZB dafür kämpft.
Frage: Wie wird sich denn die Fraktion in der Euro-Krise positionieren?
BRÜDERLE: Vor der nächsten Entscheidung im Bundestag steht der Troika-Bericht. Den warten wir ab. Klar ist für uns aber, dass Griechenland jetzt liefern muss. An den vereinbarten Reformauflagen kann es keine Abschläge geben.
Frage: Es wird also kein drittes Griechenland-Hilfspaket geben?
BRÜDERLE: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dafür eine Mehrheit im Deutschen Bundestag gäbe. Irgendwann muss Schluss sein. Griechenland darf nicht zum Fass ohne Boden werden.
Frage: Das größte Projekt für die Bundesregierung ist nach der Eurorettung die Energiewende. Wie wollen Sie die explodierenden Stromkosten für die Verbraucher verhindern?
BRÜDERLE: Es gilt, den Preisanstieg abzubremsen indem wir an den größten Kostentreiber gehen: das ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wir brauchen dringend mehr Vernunft, mehr Effizienz und mehr Markt bei der Umsetzung der Energiewende. Dauersubventionen für teure und nicht grundlastfähige Energieformen wie die Photovoltaik darf es nicht geben. Es ist doch absurd, dass mehr als die Hälfte der weltweiten Solaranlagen im sonnenarmen Deutschland installiert werden.
Frage: War die Energiewende nicht überstürzt?
BRÜDERLE: Die Fehler wurden doch viel früher gemacht. Schwarz-Gelb muss jetzt die Probleme lösen, die Jürgen Trittin verursacht hat. Das ist der Umweltminister, von dem sich die Umwelt bis heute noch nicht richtig erholt hat. Sein Dosenpfand hat die Mehrwegquote in Deutschland kaputt gemacht. Und seine irrsinnig hohen Subventionen für Solaranlagen und Windräder haben zu Abhängigkeiten und Begehrlichkeiten geführt, die Schwarz-Gelb jetzt mühsam zurückdrehen muss. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Frage: Zum Schluss: Sie werden immer öfter als möglicher Nachfolger von Parteichef Rösler genannt. Wann werden Sie Vorsitzender?
BRÜDERLE: Ich bin bereits Vorsitzender - der FDP-Bundestagsfraktion. Und das möchte ich bleiben. Philipp Rösler ist unser gewählter Bundesvorsitzender. Ich unterstütze ihn.
BRÜDERLE-Interview für das Handelsblatt
BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem Handelsblatt (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Thomas Sigmund.Frage: Herr Brüderle, heute beginnt die Herbsttagung der Bundestagsfraktion. Welche Signale sollen davon ausgehen?
BRÜDERLE: Die Fraktion steht beisammen und beschäftigt sich allein mit Themen und Inhalten. Von Mainz soll das Signal ausgehen, wie wichtig die liberale Partei im Deutschen Bundestag ist, damit Deutschland auf stabilem Mittelkurs bleibt. Sigmar Gabriel hat den Wahlkampf für Rot-Grün doch schon eröffnet: er will höhere Steuern, Wohltaten auf Pump und die europäische Schuldenunion.
Frage: Nächste Woche feiert ihre Partei das "Wendepapier", das Otto Graf Lambsdorff vor 30 Jahren zur marktwirtschaftlichen Erneuerung Deutschlands verfasst hat. Wollen Sie an das Konzept ein Jahr vor der Wahl anknüpfen?
BRÜDERLE: Otto Graf Lambsdorff ging es immer um die Freiheit zur Verantwortung. Das ist auch heute unsere liberale Leitidee, zu der wir uns bekennen. Skepsis gegenüber kollektiven Regelungen und die Ablehnung von staatlicher Bevormundung in Wirtschaft und Gesellschaft sind für uns auch heute noch aktuell.
Frage: Lambsdorff forderte drastische Beschneidungen von Sozialleistungen sowie ein stärkeres Bekenntnis zum Prinzip der Eigenverantwortung. Ist so ein neoliberales Bekenntnis für die heutige FDP noch vorstellbar?
BRÜDERLE: Selbstverständlich. Ohne Reformen in Lambsdorffs Sinn stünde unsere Soziale Marktwirtschaft heute nicht so stark da. Deutschland kann sich über Rekordbeschäftigung freuen. Das ist das Ergebnis der christlich-liberalen Wachstumspolitik und, was ich ausdrücklich anerkenne, der Agenda 2010 von Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier. Die SPD will ja leider von ihren eigenen Reformen heute nichts mehr wissen und setzt wieder auf höhere Steuern, höhere Beiträge und mehr Staat.
Frage: Empfinden Sie es als Schimpfwort, wenn Sie vom politischen Gegner als Neoliberaler bezeichnet werden?
BRÜDERLE: Nein, sondern als Auszeichnung. Walter Eucken, Franz Böhm und andere Ökonomen aus der sogenannten Freiburger Schule haben nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Wirtschaftsordnung aufgebaut. Diese sogenannten Neoliberalen sind die Gründerväter unserer Sozialen Marktwirtschaft. Wir Liberalen bekennen uns zu diesem Erbe und machen das immer wieder deutlich, wie etwa jetzt bei unserem Kampf gegen die Vergemeinschaftung von Schulden durch Euro-Bonds.
Frage: Das Papier von Graf Lambsdorff hat das Ende der sozial-liberalen Koalition unter Helmut Schmidt eingeläutet. Mit einer umgekehrten Wende der FDP weg von der Union, ist aber vor der Bundestagswahl nicht zu rechnen?
BRÜDERLE: Deutschland wird erfolgreich regiert. Wir haben Rekordbeschäftigung. Die christlich-liberale Koalition hat gute Chancen, bei der Bundestagswahl bestätigt zu werden. Diese Koalition arbeitet gut zusammen.
Frage: Bei der Zuschussrente oder beim gesetzlichen Mindestlohn hat man diesen Eindruck aber nicht.
BRÜDERLE: In einer Koalition hat jeder Partner eine eigene Rolle. Unsere Aufgabe ist es, die Union von gelegentlichen sozialdemokratischen Irrwegen abzubringen - ob nun bei einem gesetzlichen Einheitsmindestlohn oder bei Frau von der Leyens beitragsfinanzierter Zuschussrente. Beides kann es mit der FDP nicht geben.
Frage: Die Justizministerin wird derzeit aus der FDP, aber vor allem von der Union kritisiert. Ist das gute Zusammenarbeit?
BRÜDERLE: Entscheidend ist doch, dass man am Ende zu guten Ergebnissen kommt. Und das ist uns in vielen Bereichen der Rechtspolitik schon gelungen, etwa bei der wichtigen Mietrechtsreform oder jetzt beim Leistungsschutzrecht für Verlage. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat meine volle Unterstützung. Eine liberale Justizministerin, die ständig Beifall von der CSU bekäme, würde etwas falsch machen.
Frage: Um den Haushalt zu sanieren, trommelt die SPD seit Monaten für höhere Steuern erhöhen. Wäre das mit der FDP zu machen?
BRÜDERLE: Die SPD verteilt ja gern das Geld, das andere Leute hart erarbeiten. Höhere Steuern und höhere Staatsausgaben wären völlig falsch. Die SPD irrlichtert auch in der Finanz- und Steuerpolitik. Es geht doch jetzt darum, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Wir werden die Neuverschuldung weiter abbauen und wollen so schnell wie möglich einen ausgeglichenen Haushalt.
Frage: Aus den einst von der FDP versprochenen Steuersenkung wird also definitiv nichts mehr?
BRÜDERLE: Wir haben Familien und Betriebe zu Anfang der Koalition um 24 Milliarden Euro entlastet und wir haben den Abbau der ungerechten kalten Progression beschlossen. Daran halten wir fest. Leider wird diese Entlastung gerade der unteren und mittleren Einkommen von der SPD im Bundesrat blockiert. Wir werden Herrn Gabriel aber nicht aus der Verantwortung lassen.
Frage: Kommen wir zur Schuldenunion. Die EZB will morgen über den Ankauf weiterer Staatsanleihen entscheiden. Findet das Ihre Unterstützung?
BRÜDERLE: Nein, ganz und gar nicht. Die EZB sollte sich endlich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren: Das ist der Erhalt der Geldwertstabilität. Hier wird die FDP nicht locker lassen. Bundesbankpräsident Weidmann hat da unsere Unterstützung, auch, wenn er fast allein in der EZB dafür kämpft.
Frage: Wie wird sich denn die Fraktion in der Euro-Krise positionieren?
BRÜDERLE: Vor der nächsten Entscheidung im Bundestag steht der Troika-Bericht. Den warten wir ab. Klar ist für uns aber, dass Griechenland jetzt liefern muss. An den vereinbarten Reformauflagen kann es keine Abschläge geben.
Frage: Es wird also kein drittes Griechenland-Hilfspaket geben?
BRÜDERLE: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dafür eine Mehrheit im Deutschen Bundestag gäbe. Irgendwann muss Schluss sein. Griechenland darf nicht zum Fass ohne Boden werden.
Frage: Das größte Projekt für die Bundesregierung ist nach der Eurorettung die Energiewende. Wie wollen Sie die explodierenden Stromkosten für die Verbraucher verhindern?
BRÜDERLE: Es gilt, den Preisanstieg abzubremsen indem wir an den größten Kostentreiber gehen: das ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wir brauchen dringend mehr Vernunft, mehr Effizienz und mehr Markt bei der Umsetzung der Energiewende. Dauersubventionen für teure und nicht grundlastfähige Energieformen wie die Photovoltaik darf es nicht geben. Es ist doch absurd, dass mehr als die Hälfte der weltweiten Solaranlagen im sonnenarmen Deutschland installiert werden.
Frage: War die Energiewende nicht überstürzt?
BRÜDERLE: Die Fehler wurden doch viel früher gemacht. Schwarz-Gelb muss jetzt die Probleme lösen, die Jürgen Trittin verursacht hat. Das ist der Umweltminister, von dem sich die Umwelt bis heute noch nicht richtig erholt hat. Sein Dosenpfand hat die Mehrwegquote in Deutschland kaputt gemacht. Und seine irrsinnig hohen Subventionen für Solaranlagen und Windräder haben zu Abhängigkeiten und Begehrlichkeiten geführt, die Schwarz-Gelb jetzt mühsam zurückdrehen muss. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Frage: Zum Schluss: Sie werden immer öfter als möglicher Nachfolger von Parteichef Rösler genannt. Wann werden Sie Vorsitzender?
BRÜDERLE: Ich bin bereits Vorsitzender - der FDP-Bundestagsfraktion. Und das möchte ich bleiben. Philipp Rösler ist unser gewählter Bundesvorsitzender. Ich unterstütze ihn.
Download der gesamten Pressemitteilung im PDF-Format:
673-Bruederle-Interview-Handelsblatt.pdf (2012-09-05, 110.46 KB)